Wie entsteht Angst – Teil 2
In Teil 1 habe ich erklärt, was es mit dem präfrontalen Cortex (=Professorengehirn) und dem Stammhirn (=Echsengehirn) auf sich hat, welche Mechanismen greifen, wenn wir, statt wohl überlegt zu handeln, einfach nur mit Angst reagieren und das manchmal wie von Sinnen.
Den Artikel hatte ich abgeschlossen mit dem lapidar hingeworfenen Satz „Ich war irgendwann von meiner panischen Reaktion (auf Spinnen) selbst so genervt, dass ich einfach beschlossen habe, keine Angst mehr zu haben.“
Was habe ich damals intuitiv richtig gemacht?
Der „Trick“ hatte ja funktioniert.
Wie erwähnt hat in Momenten der Angst oder Panik die Echse die Oberhand. Das Professorengehirn ist abgemeldet, wird nicht mal ansatzweise involviert. Es geht um das reine Überleben. Auch wenn das, objektiv betrachtet, völliger Quatsch ist.
Der Schlüssel zum Erfolg ist der Echse verständlich zu machen, dass sie überreagiert. Dass sie da was falsch verstanden hat.
Damit meine ich nicht, dass man seinem Kind nachmittags sagt, dass es abends im Bett keine Angst zu haben braucht, weil wir, die Eltern, ja im Wohnzimmer sitzen. Nutzt nix. Das Kind wird trotzdem im Hellen schlafen oder gleich ins Elternbett umziehen wollen. Worte und Erklärungen sind nutzlos. Warum? Weil unser Unterbewusstsein, in dem die Echse sich gerne aufhält, nichts mit Worten anfangen kann. Das Unterbewusstsein funktioniert über Bilder und Sinneseindrücke.
Wer fühlt sich plötzlich wieder wie 5, wenn er unerwartet den Duft von Kohlsuppe wahrnimmt, die Oma immer gekocht hat? Genau! Ich auch.
Wir halten fest:
Das Unterbewusstsein und die Echse brauchen Bilder.
Bei manchen Kindern löst der Anblick einer Spitze Panik aus und sie rennen weg, bis Mutter und Ärztin sie stoppen. → Die Echse reagiert mit Flucht.
Bei anderen Kindern wird die Echse durch ein einfaches „Nein“ der Eltern getriggert und sie rasten komplett aus. → Die Echse reagiert mit Kampf.
Wiederrum andere sitzen an ihrer Klassenarbeit, der Kopf ist leer, der Blick meist auch und das Papier erst recht. → Die Echse reagiert mit Erstarrung.
Kampf und Flucht sind aktive Reaktionen, Erstarrung eine passive. Erstarrung bedeutet Resignation und Aufgeben, im übertragenen Sinne „dann töte mich halt“. Es dürfen sich also alle Eltern freuen, deren Kinder vor Angst ausflippen oder weglaufen wollen.
In der Praxis lasse ich die Klient:innen die Augen schließen und Bilder und Szenen visualisieren. Die Klient:in kann beobachten, wann genau und aus welchem Grund die Echse plötzlich aufwacht, diese Angst verspürt. Dann wird mit der Echse neu verhandelt. Es geht darum der Echse zu zeigen, dass hinter der Tür kein Monster wartet sondern nur der Bademantel hängt, der überhaupt nicht gefährlich ist sondern super kuschelig. Dass so eine Klassenarbeit zwar lästig ist, aber nicht (lebens)gefährlich. Mensch und Echse schaffen es so, die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken, Sicherheit und Klarheit zu schaffen.
Wir testen in der Sitzung viele verschiedenen Situationen um sicher zu stellen, dass die Echse gelassen bleibt. Die Echse muss das Neue erleben, nicht nur von dem tollen, logischen Konzept hören. Sie muss sehen, hören, riechen, spüren, dass alles sicher ist.
Zum Glück kann das Unterbewusstsein nicht unterscheiden, ob der Film, der gerade läuft und die Bilder, die es gerade sieht, real sind oder nur vor den inneren Augen ablaufen. Das Unterbewusstsein empfängt Bilder, die zusammen mit dem neuen Gefühl der Sicherheit verbunden sind. Es wir kein Alarm mehr ausgelöst, die Echse wird im Idealfall gar nicht erst wach, sondern pennt weiter. Bis tatsächlich eine echte Gefahr auftaucht und sie mit ihrer blitzschnellen Reaktionen ihren Menschen davor schützt z.B. überfahren zu werden oder einen Ball an den Kopf zu bekommen. Die Echse ist einfach unserer bester Freund!
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